Unser Trainer Jörg Roth bei der Säbelform in der Buddhahalle des Shaolintempels

Meine Erfahrungen im Shaolin Tempel Deutschland, in Berlin

Tagebuch von Freitag den 28.03.2014, Jörg Roth

Es ist 7.30 Uhr als der Wecker klingelt.
Geschlafen habe ich mäßig. Wie immer wenn ich sehr lange Fahrten hinter mir habe. Aber es hilft kein nörgeln und kein motzen, ab unter die Dusche und ran ans Frühstück.
Lieber noch entspannt einen Kaffeetrinken, als mit vollem Magen zum Tai Chi Chen Tranining von Meister Yong Dao. Spätestens in diesem Training wird klar, das Tai Chi echt schweißtreibend und hart sein kann. Ich kenne Kung Fu Vereine, bei denen findet kein so hartes Aufwärmtraining statt. Die meisten Tai Chi Schüler würden sofort streiken, wenn ich so etwas von ihnen verlangen würde. Kraftvolle Schlaggrundtechniken, tiefe Stände und Stretchkicks, sind genau mein Ding aber im Tai Chi meistens nicht gern gesehen. Ich freue mich schon wahnsinnig darauf, denn Meister Yong Dao ist ein geduldiger und wirklich kompetenter Trainer. Ein Mann der ohne viele Worte alles zu erklären vermag.
Die Zeit vergeht und um 9 Uhr verlassen wir gesättigt und entspannt das Hotel. Unser Fußweg beträgt nur ca. 300 Meter und schon bald sehen wir das Ziel unserer Reise. Den Shaolin Tempel Deutschland.

Der ehrwürdige Abt Shi Yong Chuan begrüßt uns freudig. Katrin und er wechseln einige Sätze auf Chinesisch und wir begeben uns zu den Umkleiden. Überall treffe ich freundliche und mir bekannte Gesichter. Es ist schon ein wenig, wie wenn man zu Freunden nach Hause kommt. Kurze Zeit später warten wir in Reih und Glied auf Shi Yong Dao in der Buddhahalle des Tempels. Als er hereinkommt, erfüllt sein herzliches Lächeln den ganzen Raum. Er begrüßt uns freundlich und fragt wie lange ich in Berlin bleibe. Das tut er immer.
In den letzten 7 Jahren, in denen ich zu seinen Schülern gehöre, ist diese Begrüßung schon fast zu einem kleinen Ritual geworden. Ich beantworte die Frage und gestehe, das ich diesmal leider nur bis Sonntag bleiben kann. Dann beginnt das Training.

Eine Stunde später bin ich gutgelaunt und pitsch naß geschwitzt. Meinen Mitstreitern Kay, Josh und Katrin geht es nicht anders. Also schnell raus aus dem nassen Shirt und ein trockenes angelegt, denn es folgt das Kung Fu Training mit Meister Yan Yao.
Die Begrüßung ist knapp aber freundschaftlich. Zum Reden hatten wir am vergangenen Abend bei unserem italienischen Essen genug Zeit. Sehr witzig, wenn man bedenkt, dass unsere Bekanntschaft begann, als ich das erste mal in Berlin war und unser Meister YanYao gerade mal 3 Tage in Deutschland verweilte. In dieser Woche war ich sein erster deutscher Privatschüler.
Ich konnte null chinesisch und er hatte keinerlei Deutsch-Kenntnisse. Es war skurril, aber wir kamen dennoch sofort super miteinander klar. Ich bin sehr dankbar, dass aus dieser Begegnung in den vergangenen Jahren eine gut gepflegte Freundschaft entstanden ist.
Aber jetzt ist Trainingszeit und ich brenne darauf wie ein ausgehungerter Wolf. Der Meister schenkt den Anwesenden mal wieder nichts. Besonders anstrengend ist es, da insgesamt nur 5 Schüler zum Training erschienen sind. Das bedeutet, die Übungen werden wirklich oft wiederholt, immer wieder korrigiert und Shi Yan Yao bemerkt jede Kleinigkeit. Es ist zwar super effektiv aber brutal anstrengend.
Nach ca. 40 Minuten haben wir das Aufwärmtraining überlebt und kommen zum Formtraining. Meister Yan Yao bittet mich, die bei meinem letzten Besuch erlernte Yin Yan Gun (Stockform) zu zeigen. Dies ist für mich am Ende sehr enttäuschend. Ich habe zwar geübt wie ein Besessener, mir aber falsche Hand und Stockhaltungen angewöhnt. Diese werden nun bemängelt und korrigiert.
Ich stehe also wieder am Anfang dieser Form und übe Kleinigkeiten. Verdammt, da hab ich wohl gedacht ich sei schon weiter als ich tatsächlich bin.
Naja, weiterüben und froh sein, dass ich es nun noch einmal richtig lernen kann. Des weiteren muss ich sagen, solange Yan Yao noch lächelt ist meine Leistung auch nicht ganz so schlimm. Übel wird es erst, wenn er sein Lächeln verliert oder gar die Augen rollt. Das hab ich auch schon erlebt, war nicht schön. Noch mal Glück gehabt!

Die Stockform nach der Korrektur durch Meister Shi Yan Yao.

Die Stockform nach der Korrektur durch Meister Shi Yan Yao.

Um 12 Uhr kommen meine Mitstreiter hinzu. Sie hatten eine Stunde Qi Gong mit Meister Yong Dao dem hektischen Treiben des Kung Fu vorgezogen. Gemeinsam geht es nun schnell wie der Wind zurück ins Hotel, unter die Dusche und ab ins Auto. Unser Ziel ist der Yang Laden. Dieses Geschäft hat ein wenig etwas von dem Laden aus Gremlins 2 in Chinatown.
Es gibt alles, was man mit der chinesischen Kultur so verbindet und das in einer Menge, die dieser kleine Laden, eigentlich physikalisch nicht zu Fassen vermag. Doch genau das, ist der Charme des Yang-Ladens.
Ein weiterer Baustein zum Wohlfühlambiente sind die Inhaber selbst. Das Ehepaar Yang ist unglaublich nett und herzlich, ausserdem lässt sich ihre Fachkompetenz nicht in Frage stellen. Wie immer werden wir freundlich Begrüßt und perfekt beraten. Ein Zeremonie-Teeset habe ich mir schon immer gewünscht und nachdem unsere Katrin mir versprochen hat, neben der chinesischen Sprache auch meine Kenntnisse zur chinesischen Teezeremonie zu verbessern, erfülle ich mir unter der Fachkundigen Hilfe von Frau Yang nun endlich diesen Wunsch.
Meine Mitreisenden sind völlig aus dem Häuschen, was ich verstehen kann, da mein erster Besuch in dieser bunten Welt Chinas die gleiche Wirkung auf mich hatte. Nachdem alle um ein paar kleine Kostbarkeiten reicher sind, gehen wir nebenan zu einem Vietnamesischen Restaurant. Das besondere an diesem Exemplar ist, dass nur vegetarische Küche angeboten wird. Diese ist aber so schmackhaft und pikant, daß niemand auch nur im geringsten Sehnsucht nach einem Stück Fleisch bekommt. Einfach köstlich und empfehlenswert.

Bald schon ist es 16 Uhr und wir sind zurück im Tempel. Der nächste Programmpunkt ist der buddhistische Unterricht mit dem ehrwürdigen Abt Shi Yong Chuan. Wie immer ist es sehr schön den Geschichten zu lauschen, die der Großmeister simultan aus einem chinesischen Buch übersetzt. Wenn ich irgendwann auch nur halb so gut Deutsch in Chinesisch Übersetzen kann, währe ich wirklich froh.
Nach dieser lehrreichen Stunde habe ich eine kurze Pause, bevor es wieder zum Kung Fu Training geht. Diese nutze ich, um mich mit ein Paar neu angereisten Seminarteilnehmern bekannt zu machen. Sehr schön ist, dass ich in diesem Moment auf Tanja Huck, alias Sifu Tan Cha Han, von der Kung Fu Academy Kaiserslautern treffe.
Unsere Schulen sind gerade mal 10 Kilometer Luftlinie von einander entfernt und dennoch haben wir uns vorher noch nie von Angesicht zu Angesicht gesehen. Man hatte natürlich viel von einander gehört, aber schon nach den ersten Sätzen stellt sich heraus, daß wir so gut wie gar nichts von einander wissen. Das gilt es Nachzuholen, was wir bei einem Jasmintee auch sofort tun.
Nach einer halben Stunde gehen ich in den Kung Fu Unterricht und habe einen sehr netten Menschen kennengelernt. Ich hoffe, dass wir in Zukunft öfter mit einander zu tun haben werden. So wie es Aussieht, haben wir die gleiche Begeisterung für die Kampfkünste, ähnliche Ziele und doch verfolgt jeder für sich einen individuellen und wundervollen Weg diese Begeisterung an die Schüler weiterzugeben. Man kann sagen: Zwei Schulen, zwei Lehrer, zwei Wege, die gleiche Herzlichkeit und Begeisterung für die chinesische Kampfkunst. Wir sind uns gar nicht mal so unähnlich und werden bestimmt noch einiges gemeinsam bewegen können. An dieser Stelle möchte ich Tanja noch einmal persönlich für das Gespräch und die freundlichen Worte Danken.

Von Heiterkeit getragen betreten ich kurz darauf die Buddhahalle. Dieses mal sind wirklich viele Schüler da. Es ist richtig voll und somit nicht ganz so anstrengend wie am Morgen. Darüber bin ich aber gar nicht unglücklich, da mir die lange Fahrt am Vortag irgendwie noch ziemlich in den Knochen steckt. Außerdem heißt es nun von 18 bis 21 Uhr Kung Fu, bis niichts mehr aus der Muskulatur rauszuholen ist. Die zweite Trainingseinheit von 19 bis 20 Uhr besteht heute Abend fast nur aus Spagattraining. Echt schmerzhaft!
Shi Yan Yao lässt uns jehweils 15 Minuten in einem Spagat sitzen, dann wird gewechselt. Das ist zwar sehr effektiv aber eine echte Qual. Erträglich machen es die netten Mädels und Jungs aus dem Showteam des Tempels. Ich bin wirklich gern mit dieser Truppe unterwegs und freue mich, dass sie mich immer so herzlich in Ihren Reihen aufnehmen. Einfach ein klasse Team.

Die Reisegruppe auf dem Weg zum Shaolin Tempel Deutschland.

Die Reisegruppe auf dem Weg zum Shaolin Tempel Deutschland.

Um 20.30 Uhr gebe ich erschöpft auf und verzichte, von der Vernunft überredet auf das Akrobatiktraining. Ich bin zu müde und habe Angst mich zu verletzen. So verabschiede ich mich von allen und treffe meine lieben Mitreisenden im Teehaus. Sie sind genauso fertig wie ich und nach einem kleinen Snack bei unserem Lieblingsitaliener, begeben wir uns alle samt ins Hotel und fallen glücklich in die Betten.

Damit endet unser erster Trainingstag glücklich und zufrieden mit erholsamem Schlaf.
Alles Gute wünscht dir Jörg Roth

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