Enja übt sehr viel zu Hause, mit 7 Jahren ist sie die jüngste in unserem Fortgeschrittenen Kurs

Selbstverteidigungstechniken für Kinder – Teil 2

Hallo und willkommen zurück zum zweiten Teil meines Textes zur Kinderselbstverteidigung. Hier ist wieder Jörg Roth, aus dem Trainerteam der Tai Chi Akademie Kaiserslautern.
Ich hatte versprochen in diesem Text auf Techniken und Trainingsarten einzugehen, welche meinen Erfahrungen nach für Kinder wirklich hilfreich sein können. „Sein können“ muss ich hier leider verwenden, da selbst das beste Training nur etwas bringt, wenn der Schüler zu HAUSE beherzt übt.

Es gibt natürliche Verhaltensmuster von Kindern, die wir für unser Training nutzen können. Aus diesem Grund ist es auch sehr wichtig, relativ früh mit dem Unterricht zu beginnen. Z.B. konnte ich bei meiner Trainingswoche in der Grundschule feststellen, dass fast alle Kinder der 1. und 2. Klasse eine Art natürlichen Schutzreflex besitzen. Dies fiel mir auf, als ich mit den Kleineren ein Fallbeispiel inszenierte, bei dem sich das übende Kind aus meinem Griff befreien sollte. Bei den Erst- und Zweitklässlern gestaltete es sich um einiges schwieriger, sie an den Schultern zu packen, da sie instinktiv zusammenzuckten oder ihre Hände vor das Gesicht rissen. Die Älteren hingegen blieben stocksteif und warteten mit großen Augen ab, bis ich ihnen ein Kommando gab. Die beste Reaktion entgegnete mir ein Mädchen aus der 2. Klasse. Sie hob die Hände nicht nur vor das Gesicht, sie attackierte das meine mit ihren Fingerspitzen.
Das war die beste Verteidigung, die ich in dieser Woche erleben durfte. Aus diesem Reflex des Mädchens begann ich, gemeinsam mit den Kids eine Verteidigungstechnik zu basteln.

Schutzreflexe, wie das schützen des Gesichtes gilt es zu fördern

Schutzreflexe, wie das schützen des Gesichtes gilt es zu fördern

Wir nannten sie BÖSES KIND und setzten sie folgendermaßen zusammen:
– reflexartiger Angriff zum Gesicht des Angreifers
– befreien, indem wir alles tun, was uns die Eltern verbieten ( schrill und laut schreien, beißen, kratzen, spucken )
– wegrennen und sich an einen anderen Erwachsenen klammern
– in der Innenstadt in ein Geschäft rennen und schreiend auf die Theke springen – wenn uns dann die genervte Verkäuferin rauswerfen möchte, klammern wir uns an ihr fest und bitten um Hilfe

Dieses kleine System übten wir gemeinsam mit den Lehrern, wobei wir beißen, kratzen und spucken ausließen. Um die schnelle und effektive Flucht zu simulieren, baute ich aus Sprungkästen und weiteren Sportgeräten einen Hindernis-Parkour auf, welcher nach Geschwindigkeit bewertet wurde. Am Ende der Strecke erwartete die Kinder ein Sprungkasten, der ihre Körpergröße weit überragte. Wie dieses Hindernis gemeistert wurde, war egal, aber es musste schnell gehen. Um den Zusammenhalt der Klassen zu stärken, gab ich den wartenden Kindern den Auftrag, den im Parkour befindlichen Mitschüler lauthals anzufeuern. Diese Motivation brachte auch die Unsportlicheren zu Höchstleistungen. Nach der dritten Runde schaffte auch der Letzte das große Hindernis am Ende, welches zu Beginn noch von den meisten als unmöglich betitelt worden war.

Fazit:
– Selbstbewusstsein und Moral stärken
– Stärken fördern
– Schwächen erkennen und annehmen
– lieber eine Technik richtig üben, als hunderte nur ausprobieren
– Zusammenhalt der Kindergruppen stärken
– Starke, aufmerksame und wache Kinder sind sichere Kinder
– Schnelligkeit und Steigerung der Koordination sind am wichtigsten
– Kinder, die in Sportvereinen sind oder den ganzen Tag damit verbringen auf Bäume zu klettern oder ähnliches, sind den stubenhockenden und computerzockenden Mitschülern in allen Disziplinen überlegen.

Die klassischen Shaolinformen sind ein sehr gutes Koordinations- und Krafttraining für Kinder

Die klassischen Shaolinformen sind ein sehr gutes Koordinations- und Krafttraining für Kinder

So, nun bin ich am Ende des heutigen Eintrages angekommen. Es würde mich sehr freuen, wenn ich ein wenig zum Nachdenken anregen konnte.
Natürlich interessieren mich auch Deine Erfahrungen und Ansichten! Welche sinnvollen Verteidigungs- und Präventionsmaßnahmen für Kinder sind Dir bekannt?
Verbreite diesen Text und hilf damit Eltern und Kindern sinnvolle Grundlagen für mehr Sicherheit zu erlangen. Wenn möglichst viele Trainer und Eltern miteinander kommunizieren, werden vielleicht neue Ideen und individuelle Konzepte geschaffen.

Alles Gute

Jörg Roth und das Team der Tai Chi Akademie