Unsere Katrin am anderen Ende der Welt

Shanghai, Erlebnisse am anderen Ende der Welt

Ein herzliches Hallo,
in unserem heutigen Blog, möchte dir unsere Schülerin „Katrin Kowalski“ ihre Erlebnisse im fernen Shanghai schildern.
Es geht um das tägliche Leben, um Kampfkunst und den schulischen Alltag in dieser riesigen Stadt. Katrin ist nun seit einem halben Jahr in China und wird erst im Februar wieder in unserem, doch all zu gemächlichen Deutschland, eintreffen. Wir Danken für diesen tollen Bericht und die zur Verfügung gestellten Bilder. Viel Spaß beim Lesen.

„Different denotes neither bad nor good, but it definately means not the same“
⼤大家好!我叫凯特瑞,为现在在中国上海学习汉语的话,我很多时间不能写博客。这个周末我有⼀一 点⼉儿时间,所以可能把电脑写好⼀一些⺴⽹网志⻚页了。
Mittlerweile bin ich schon einige Zeit hier am anderen Ende der Welt, so dass es jetzt schon bald heißt die Tage bis zum Ende meines Visums sind gezählt. Aber ich beginne mal lieber am Anfang der Geschichte, genauer gesagt vor knapp drei Monaten an einem schönen Spätsommermorgen, an dem ich eine andere Welt betrat und sich mein Leben für immer verändern sollte:

Ich bin vormittags in Pudong, Shanghai gelandet und noch im Flughafen fand ich meine erste Hürde. Alle Schilder waren ausschließlich mit Schriftzeichen beschrieben und als ich eine nette (und wie zum Flughafenpersonal gehörend aussehende) Frau auf Englisch fragte, wo ich denn mein Gepäck fände, bekam ich als Antwort ein betretenes Lächeln und die Worte: „不好意思,我听 不懂英⽂文,你会汉语说⼀一遍?“ Ich – in dem Moment vollkommen überfordert – hatte nur einen Gedanken und eine Melodie im Kopf, die ich jener Dame in meiner Nervosität auch nicht vorenthalten konnte. Also fing ich, vollkommen am Ende von dem 14 stündigen Flug, als zerknitterte Ausländerin mit knallroten Haaren, mitten in China, an einem mir vollkommen fremden Ort, vor einer mir vollkommen fremden Frau, in einer mir ziemlich fremden Sprache an zu singen: „对不起,我的中⽂文不好,对不起对不起, 我不知道你说什么“ … Was mir von ihrer Seite erst einen vollkommen entgeisterten Blick und dann das herzlichste Lachen der letzten drei Tage einbrachte. Das Eis war gebrochen und nach einigem Hin und Her mit Händen, Füßen und seltsamen Lauten verstand sie mein Problem und half.

Wie alle Städte hat auch diese wirklich triste Ecken

Wie alle Städte hat auch diese wirklich triste Ecken

Hier Angekommen gab es gleich den nächsten Kulturschock: die Menschen am Flughafen sind nicht die einzigen, die kein Wort Englisch sprechen. Dem entsprechend schwer waren die ersten paar Wochen. ich erinnere mich noch gut an den ersten Abend auf der Straße, als ich etwas essbares suchte. Normalerweise sagen die Menschen ja immer, sie haben einen overflow an optischen Eindrücken, hier sind es definitiv die Gerüche! Das gibt es in Deutschland überhaupt nicht, dass man so viele unterschiedliche Gerüche auf zehn Metern Straße verarbeiten muss. Überwältigend, wenn man dazu noch die Lichter, Menschen und nicht vorhandenen Verkehrsregeln bedenkt. Apropos Verkehr, Mit den Verkehrsregeln in Shanghai verhält es sich wie mit den Regeln in einem allseits bekannten Film: 1. Regel, es gibt keine Verkehrsregeln. 2. Regel, es gibt KEINE Verkehrsregeln… zumindest keine ersichtlichen. Und trotzdem funktioniert es… irgendwie.

Nach einer Woche des vollkommenen Chaos und des Lernens, was es heißt im Hier und Jetzt zu leben – nämlich schlicht und einfach keinerlei Informationen über Morgen zu erhalten – fing endlich die Uni an und es gab zumindest ein bisschen Routine. Uni hier ist auch ein ganzes Stück anders als in Deutschland. Zum Beispiel hätte es in Heidelberg keiner gewagt zwanzig Minuten auf dem Klo zu verbringen, um auf seinem Handy genau diesen Level seines Handygames mit Hintergrundmusik zu Ende zu zocken, an dem er im Klassenraum nur aus dem einen Grund ständig gescheitert ist: nämlich, dass die Musik fehlte. Noch etwas, an das man sich gewöhnen musste: hier gehen nicht die Mädels sondern die Jungs gemeinsam aufs Klo. Und zwar nicht zum Quatschen und Tratschen (okay, das auch, aber!) sondern zum Rauchen, denn man darf den Lehrern – obwohl sie das eh wissen, weil irgendwann müssen auch mal die männlichen Lehrkörper das Bad nutzen – nicht zeigen, dass man Raucht. Immer den Schein wahren und so. Die Umstellung, was den Unterricht angeht, ist auch eine ziemlich gewaltige gewesen, denn die Lehrer sprechen auch ausschließlich Chinesisch und in einem Tempo, das keinesfalls mehr feierlich ist. So war auch die erste Uniwoche eher anstrengend. Bis ich eines Tages einen ganz besonderen, und besonders seltsamen, Chinesen kennenlerne. Er ist zwar Chinese, spricht aber kaum ein Wort Chinesisch und hat eine ganz eigene Sichtweise auf das System hier. Durch ihn fühle ich mich hier nicht mehr verloren und habe diese neue Welt mittlerweile sogar so weit lieben gelernt, dass ich gar nicht mehr zurück will.

Dies ist eine der schönen Seiten von Shanghai

Dies ist eine der schönen Seiten von Shanghai

Aber nun zum eigentlichen Thema: Kampfsport. Mittlerweile kann ich ihn zwar nicht mehr praktizieren, aber einmal wieder von Anfang an:
Nachdem ich mich hier etwas eingelebt hatte, schlug mir eine Chinesin vor morgens vor der Uni in den nahe gelegenen Park zu gehen und dort die alten Männer zu fragen, ob ich mit ihnen Tai Chi

trainieren kann. Nach ein paar Tagen hatte ich genug Mut gefasst und bin pünktlich um halb fünf (um halb sechs Uhr dämmerte es und der Park wurde geöffnet) aufzustehen und in den Park zu gehen. Nach ein paar Tagen zusehen versuchte ich einen von ihnen zu fragen, wie ich denn mitmachen könnte. Er schickte mich weg mit einem Blick und Worten, wie: „Immer diese Ausländer, die glauben alles zu können und zu verstehen…“ Aber nachdem ich weiterhin immer wieder kam, mich neben die knapp dreißig Mann setzte, zusah und ihn nach dem Training fragte, wurde ihm wohl klar, dass es mir wichtig war und es sagte, ich sollte am nächsten morgen zwanzig Minuten früher da sein, dann könnte ich ihm zeigen, was ich kann und sie würden entscheiden, ob ich mitmachen darf. Gesagt, getan. Er schaute es sich an und meinte, dass sei halt nicht das, was sie trainieren würden, wie schnell ich denn lernen könnte. Darauf durfte ich meine erste Form mit ihm zusammen laufen und seit dem Tag zeigte er mir jeden Morgen ein paar neue Folgen. Mittlerweile hat es morgens um sechs allerdings nur noch ein bis zwei Grad, deshalb setze ich mein Training aus, aber die alten Männer stehen noch immer jeden Morgen in der Dämmerung auf dem Gras und praktizieren Tai Chi. Kung Fu habe ich hier leider nur einmal im Zuge eines Unisportwettkampfes praktizieren können. Dabei werden hier allerdings keine Formen gelaufen, sondern reine Kämpfe gefochten. Alle Teilnehmer werden in blaue Carmouflageuniformen gesteckt, bekommen eine chinesische Flagge in die Hand gedrückt, Polster auf die Handknöchel geklebt und raus geht es auf die Matten. Sobald einer abklopft oder sich nicht mehr rührt hat das andere Team gewonnen.
Alles in Allem kann ich nur sagen, dass es mir leid tut, dass ich Shanghai nicht mit Deutschland vergleichen kann, weil es für mich einfach eine komplett andere Welt ist. Das Leben hier funktioniert anders, die Menschen leben anders, legen auf andere Dinge Wert, zum Beispiel ist ihnen Gesundheit und Lebenskraft wichtiger als Effektivität. Was mich immer wieder erstaunt, dass es in einer Weltmetropole doch so viele friedvolle Orte gibt, an denen man einfach einmal stehen bleiben kann. Ich habe hier in Mitten all der Geschwindigkeit und Kurzlebigkeit auch Spiritualität finden können. Und nicht nur das, eine ganze Menge Erfahrungen bin ich reicher. Einen Preis habe ich aber zu zahlen, denn einen Teil von mir habe ich wohl für immer an diesen faszinierenden Teil der Welt verloren und der wird nicht mit mir zurückkehren können. Wie Xi Xunuo bereits bemerkte:

„What is a dream? What is reality? Just a demarcation in human memory. When you are here, you must leave there.“

In diesem Sinne,
eine momentan komplette Katrin Kowalski.

Szenen wie aus einem Film

Szenen wie aus einem Film

Zu guter Letzt interessieren uns natürlich deine Eindrücke zu solchen Studienaufenthalten in fernen Ländern. Was hast du erlebt? Wie ist es dir ergangen? Wie haben die Mitschüler und Mitmenschen auf dich reagiert?
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und bis zum nächsten Mal.
Ein fröhliches und glückliches Neujahr, wünscht dir das Team der

Tai Chi Akademie Kaiserslautern e.V.

1 Kommentar
  1. Petra Fey Dubs sagte:

    Hallo Katrin – schön mal ein Update von dir zu hören resp. zu lesen!

    Zwar hatte ich nicht das Glück ein Studienaufenthal im Ausland zu absolvieren, aber in Shanghai war ich und zwar schrieben wir das Jahr 1984. China war noch nicht lange für Touristen zugänglich, man durfte nur mit einer Reisegruppe reisen (in Deutschland wurden noch kaum welche angeboten), Einzelzimmer in den Hotels gab es nicht, man musste mit jemanden aus der Gruppe das Zimmer teilen. Shanghai war auf der ganzen Reise die dunkelste Stadt – in den Geschäften hingen 20-Watt Glühbirnen, Leuchtreklame gab es nicht, auch keine privaten Wagen, nur ein paar vom Staat, Busse und abertausende Fahrräder ohne Beleuchtung. Alle Menschen trugen Mao-Anzüge, Frauen einheitlichen Kurzhaarschnitt oder Zöpfe. Einmal sahen wir in Peking sogar noch eine alte Frau mit gebundenen Füssen. Kaum zu glauben dass dies erst 30 Jahre her ist.

    Ich wünsche dir noch eine schöne und erlebnissreiche Zeit in Shanghai!

    LG

    Petra

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