08.01.2014 – Berlin / Shaolin Tempel Deutschland

Es ist Mittwoch Morgen. Wir haben bereits einen Tag mit und einen ohne Muskelkater hinter uns und heute wird der schlimmste, meinte unser Trainer. Umso erstaunter bin ich, als ich heute morgen aufstehe und kaum Schmerzen in meinen Beinen beim Bewegen spüre. >> Irgendwas kann hier nicht mit rechten Dingen zugehen << überlege ich mir gerade, als auch schon zum vierten Mal das Quaken und Plätschern unseres Naturklangweckers erklingt und ich mich endgültig dazu entschließe, wach zu sein. Verwunderlicherweise heute als erste von uns drei Mädels im Zimmer. Aber es dauert nicht lange und wir erstürmen zu dritt die Treppen nach unten zum Frühstück; noch immer mit zu wenig Schmerzen.

Frühstück ist lecker wie immer, aber so langsam ist die Müdigkeit wieder zu spüren. Spontan entscheiden wir uns heute erst zu dem ersten Kung Fu Training anzutreten und wollen gerade zurück in unser Zimmer gehen, als mich der Muskelkater überkommt – scheinbar war er müder als ich und hatte noch geschlafen. Allein die Treppen zurück hoch in den dritten Stock werden zu einem quälenden Unterfangen, wie soll das erst im Training weitergehen, denke ich mir. Aber es gibt nichts, was eine gesunde Portion Unfug heilen, beziehungsweise verdrängen kann.

Das Kung Fu Training läuft erstaunlich gut, wenn man mal vom Dehnen absieht, da schreien die Muskeln einfach zu laut und intensiv „Neiiin, wir wollen nicht! Pech gehabt!“. Auch unsere veränderte Form laufen wir mittlerweile mit einiger Souveränität durch und wir bekommen auch direkt das nächste Stück von Meister Yan Yao gezeigt. Das wird in den letzen paar Minuten auch noch gefestigt, dann ruft auch schon die Mittagspause und mit ihr der Magen: „Huuunger!!“. Wir beschließen uns aufzuteilen und wir drei Mädels machen uns zum dritten Mal in dieser Woche auf den Weg zum Japaner, diesmal essen wir Sushi und wie schon am Vortag ist Tunfisch Mangelware. Tja, seis drum, essen wir halt Lachs.
Der Nachmittag beginnt heute etwas früher mit der verzweifelten Suche nach einem Bäcker. Wofür ein Bäcker wirst du dich jetzt sicher fragen? Ganz einfach: Kuchen! Wofür? Für die Abendzeremonie, die um 16 Uhr stattfinden wird. Warum? Weil man Kuchen essen kann und er sowieso viel cooler ist als Blumen, die man mitbringen kann, damit sie auf den Altar gestellt werden, um schön auszusehen. Nach einigem hin- und her werden wir fündig und verlassen schließlich mit einer Kiste, randvoll mit leckerem Kuchen, den Biobäcker unseres Nichts-anderes- finden-könnens.

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Die Zeremonie ist wirklich sehr erstaunlich. Das Gefühl, das ich dabei habe ist kaum in Worte zu fassen. Ich fühle mich irgendwie dazugehörig und im Inneren eines Energiekreises, die Gesänge klingen vertraut, obwohl das meine erste solche Zeremonie ist und ich mag und verstehe ihren Inhalt. Wohl anders als der meiste Rest von unserer Gruppe, denn einige sehen etwas ratlos aus, vielleicht haben sie die Textstelle verloren. An dieser Stelle wüsste ich gerne, wie die anderen – die nun nicht so viel Glück mit dem Verstehen der Texte haben wie ich – die Zeremonie empfunden haben. Aber es scheint allen recht gut gefallen zu haben.

Danach geht es für mich weiter mit Chen Tai Chi bei Meister Yong Dao. Wir lernen ein weiteres Stück der Form, die ich so wunderschön und anmutig finde. Danach trennen sich unsere Wege erneut: da ich die Rou Quan lernen soll, gehe ich zum Qi Gong beim Abt, während die anderen, die beim Tai Chi dabei waren mit Kung Fu weitermachen. Ich finde Qi Gong sehr spannend und die damit einhergehende Meditation energiespendend. Danach lernen wir auch hier ein Stück der Form weiter. Anschließend treffe ich Marianne und Seraina wieder, denn wir haben in der eigentlichen Kung Fu II Stunde eine Einzelstunde bei Martin, damit er uns die Xiao Hong Quan lehrt. Erwartungsvoll stehen wir also am Rand der Halle und hoffen auf ein kleines Eckchen, in dem wir üben dürfen, aber leider ist kein Platz für uns. Aber an Herausforderungen wächst man – oder stirbt, aber das lassen wir jetzt mal außen vor – und auch Martin ist sich in diesem Moment zu nichts zu Schade: wir gehen in den säulenbesetzten Gang vor den Umkleidekabinen im Keller und dort laufen wir in komplizierten Ausweichmanövern und Acht vor in den Weg springenden Säulen die Xiao Hong Quan. Wir kommen recht weit, auch wenn uns jeder etwas seltsam anschaut, der an uns vorbei zu den Klos oder Umkleidekabinen – oder beidem – will. Selbst die Meister schauen nicht schlecht, als sie diese Lösungsmethode für unser Platzproblem sehen; frei nach dem Motto: es gibt immer einen Weg und und Konsequenz heißt auch Irrwege zu Ende zugehen, um eine Form zu lernen und Spaß dabei zu haben. Und wahrlich, den hatten wir!

Als nun auch diese etwas andere Trainingseinheit beendet ist, wartet heißes Wasser und schließlich leckes Essen auf uns. Nach den angekündigten Qualen des Tages verlief er recht angenehm, aber spätestens beim Abendessen sieht und hört man, dass doch alle sehr erschöpft sind. Es ist nämlich überwiegend ruhig. Wir sind noch auf dem Weg durch sämtliche Super- und Biomärkte, auf der Suche nach etwas, dass Martin mögen könnte. Wir wollen ihm nämlich noch ein kleines Geschenk überreichen, wenn wir ihn für seine Mühe und Geduld mit uns morgen zum Essen einladen. Allerdings haben wir ein Problem: keiner von uns weiß, was Martin ganz besonders mag und ihn total umhaut, wenn wir es ihm schenken. Kurzerhand zücke ich mein Handy und frage Jörg, schließlich sollte er Martin doch etwas besser, da länger, kennen. Aber auch er hat keine Ahnung, was Martin am liebsten isst oder trinkt, oder sonst irgendwie aus einem Supermarkt mag. Trotzdem hat er eine Geschenkidee für uns: Das vom Abt geschriebene Buch mit dessen Widmung darin. Das klingt nach einem tollen, nützlichen und länger lebenden Geschenk als etwas zu essen, also sind wir sofort dabei. Wobei… eigentlich erst morgen, denn um kurz vor 22 Uhr wird der Abt bestimmt keine Bücher mehr signieren wollen. Also, ab zurück ins Hotel und in Richtung Bett, um auch für morgen noch Kraft zu haben. Aber es kommt ja immer anders und bei Mädels sowieso, anstatt zu schlafen quatschen wir also noch die halbe Nacht über Themen, die es hier nicht weiter auszuführen gilt. Mein letzter Gedanke dieses wundervollen und lehrreichen Tages: >> … und was zum Spielen! <<
In diesem Sinne, eure Katrin Kowalski