Der chinesische Säbel (Dan Dao) im Kung Fu Training, schon in der Han Dynastie wurden ähnliche Waffen von den Fußsoldaten geführt.

Waffentraining im Tai Chi Chuan und Kung Fu

Hallo liebe Leser. Schon wieder ist es Montag und Zeit für unseren neuen Blogpost.
Für euer Interesse bedankt sich auch dieses mal Jörg Roth von der Tai Chi Akademie Kaiserslautern.

Wir kommen zu einer weiteren von euch gestellten Frage:
Warum ist das Waffentraining in Tai Chi Chuan und Kung Fu wichtig?

Ich möchte als erstes darauf hinweisen, dass ich nur meine eigenen Erfahrungen mit euch teilen kann.
Man könnte dieses Thema auch ganz einfach mit der chinesischen Standartantwort zu allen Fragen dieser Art beantworten: ES IST TRADITION!

Das möchte ich aber vermeiden.

In der Tai Chi Akademie in Kaiserslautern unterrichten wir derzeit im Tai Chi Chuan Fächer, Langschwert (Jian) und Kurzstock. Unser Meister Adelino Rondalli beherrscht aber noch einige weitere Waffenformen, z.B. die Pferdeschweifpeitsche (Tai Chi Fu Chen) aus den Wudang Bergen.

Im Kung Fu unterrichte ich Langstock (Yin Shou Gun), Breitschwert (Shaolin Da Dao), Feuer- und Windringe (Feng Huo Lun) und die große Hellebarde (Shaolin Guan Dao).
Unser Sifu leitet darüber hinaus das Anwenndungs- und Formtraining am Kurzstock an den Mittwochabenden ab 20 Uhr.

Es gibt noch unglaublich viele Waffen mehr in beiden Kampfkünsten, ihren Ursprung haben diese meist in der historischen Kampfanwendung im alten China. Da stellt sich natürlich die Frage, warum soll man historisches Waffentraining in der heutigen Zeit und im Training einer friedvollen Kampfkunst erlernen?

Meine Meinung dazu möchte ich am Kurz- und Langstocktraining erläutern.
Als ich nach 3 Jahren der Ausbildung in Handformen meine erste Langstockform bei Shi Yan Yao in Berlin erlernte, stellte ich schnell fest, dass sich auch meine Handtechniken und mein gesamtes Körpergefühl in den bisher erlernten Formen positiv veränderten. Zurück in Kaiserslautern wies mich Meister Adelino Rondalli sehr akriebisch auf die stärkere Aktivierung meiner Hüfte und das Lockerlassen der Schultern hin.
Als nächstes korrigierte er immer wieder meine Stände und die Hanbewegungen.
Als wir mit dem Training so weit waren, dass er mir die Erlaubnis gab diese Stockform an unsere Kung Fu Schüler weiterzugeben, hatten sich meine Bewegungsmuster grundlegend verändert. Meine Haltung und Stände waren sicherer, der Körper im gesammten lockerer und durch die stärkere Hüftaktivierung waren meine Schläge härter und schneller geworden.

Das Stocktraining hatte mein gesamtes Verständnis für das Kung Fu verändert und entscheidend verbessert. Ich glaube, dass diese Veränderungen meiner Fähigkeiten durch folgenden Umstand geschahen:

Ich war durch die Waffe und ihr Eigenleben komplett von meinem Körper abgelenkt.

Wie viele andere bin auch ich Perfektionist und keine meiner Leistungen ist mir gut genug. Diese Haltung treibt mich auf der einen Seite immer wieder zu Höchstleitungen, jedoch verwehrt sie mir auch allzu oft die Fähigkeit entspannt und locker zu sein.
Dies zeigt sich dann in zu verkopftem und verbissenem Training, körperlichen Verkrampfungen durch innere Anspannung und Erhöhung des Ruhetonus (Ruhespannung) der Muskulatur, welche zu starken Einschränkungen der Dehnbarkeit und Verminderung der Bewegungs- und Reaktionfähigkeit führen. Also der ganz normale Wahnsinn dem man sich als Schüler egal welcher Künste immer wieder stellt.

Die Feuer und Wind Ringe (Feng Hou Lun), entstammen höchst wahrscheinlich der chinesischen Fabel Fengshen Yanyi, aus dem 16. Jahrhundert.

Die Feuer und Wind Ringe (Feng Hou Lun), entstammen höchst wahrscheinlich der chinesischen Fabel Fengshen Yanyi, aus dem 16. Jahrhundert.

Durch die Begeisterung für die neue Technik mit dem Stock verschwendete ich keinerlei Gedanken an diese negativen Eigenschaften meiner Persönlichkeit, da diese überhaupt nicht auftraten.
Ich war ganz und gar in meinem Element und zufrieden mit der neuen Aufgabe. Diese Haltung gab meinem Körper die Möglichkeit viel intuitiver und natürlicher zu reagieren, was sich auszahlte.
Und so erhielt ich mit jeder weiteren Waffe neue Bewegungsmuster und Fähigkeiten in den waffenlosen Formen und Kampftechniken.

Besonders erstaunlich war die Veränderung nach dem Erlernen des Umgangs mit der Guan Dao, der Drachenhellebarde des sagenumwobenen General Guan Yu.
Diese Waffe ist mit 6,5 Kilogramm bisher die schwerste Langwaffe meiner Sammlung.
Dieses Gewicht war an sich schon eine wirkliche Herausforderung und hat mich sehr lange auf Trab gehalten. Mittlerweile ist sie zu meiner Kung Fu Lieblingswaffe geworden und begeistert mich immer noch sehr.

Die Guan Dao, diese Waffe soll am Ende der Han-Dynastie, von dem sagenumwobenen General Guan Yu entwickelt und geführt worden sein.

Die Guan Dao, diese Waffe soll am Ende der Han-Dynastie, von dem sagenumwobenen General Guan Yu entwickelt und geführt worden sein.

Zum Abschluss möchte ich noch einen weiteren sehr wichtigen Grund für die Verwendung der Waffentechniken im Kampfkunsttraining nennen.
Es macht verdammt viel Spaß und darum geht es doch eigentlich, oder?

Nun würden mich natürlich eure Erfahrungen zu diesem Thema interessieren:
Was ist eure Lieblingstechnik?
Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht oder ganz andere?

Hinterlasst einfach einen Kommentar oder schreibt über unser Kontaktformular.

Alles Gute, euer Jörg Roth
Tai Chi Akademie e.V. Kaiserslautern