Wie man verschiedene Kampfsportarten verbinden kann

Hallo, ich bin Kay Wicke aus dem Kung Fu Team der Tai Chi Akademie Kaiserslautern.
Ich möchte dich einladen, etwas über verschiedene Kampfkünste und ihre Verbindungen zueinander zu erfahren. Hierzu möchte ich meine Erfahrungen mit dir teilen.

Mein Weg durch die Kampfsportarten begann mit knapp sechs Jahren beim Judo. Über die nächsten zwölf Jahre lernte ich dort wie man fällt ohne sich zu verletzen, wie man über Gleichgewichtskontrolle andere zu Fall bringen kann, wie man jemanden ohne Schläge und Tritte festnageln und kontrollieren kann. Mit fortgeschrittener Erfahrung und somit auch fortgeschrittenem Training kamen dann zum Judo als „sanfter Weg“ immer mehr Selbstverteidigungsanwendungen dazu, die nicht klassischerweise im Judo zu finden sind.
Als für mich dann das Studium anfing und ein Umzug damit verbunden war, hatte das Judo aus logistischen Gründen nur noch in der vorlesungsfreien Zeit seinen Platz. Aber wie kompensiert man so einen Wechsel? Mir wurde schnell klar, dass der Unisport gut ist, aber entweder zu allgemein und mit zu vielen Anfängern oder zu speziell auf Kampf getrimmt, was ich nie wirklich wollte.

Nach einigem Ausschau halten fand ich dann unsere Tai Chi Akademie und fing dort mit dem Tai Chi und Kung Fu Training an. Die anfänglichen Umstellungen waren extrem schwer, da jahrelanges Training einem im wahrsten Sinne in Fleisch und Blut übergeht. Ging es im Judo noch darum mit Eigengewicht, Kraft und Geschwindigkeit zu verhindern, dass Gegner einen werfen können war hier mein Problem, dass ich gar nicht in der Reichweite war jemanden zu greifen, sondern nur zu schlagen und das nicht mir Kraft, sondern mit lockeren Muskeln und Hüftimpuls.
Auch die Stände machten ihre Probleme, da ich an vielen Stellen fürs Kung Fu nicht fest genug stand, da ich noch die Anfänge der Judowürfe gewohnt war.
Aber es lief natürlich nicht alles schlecht. Grade beim Techniktraining mit Hebeln konnte ich wunderbar auf meine Erfahrung zurückgreifen und diese auch recht schnell anderen vermitteln und somit neue Ideen einbringen.

Training in der Gruppe macht einfach viel Spaß

Training in der Gruppe macht einfach viel Spaß

Nachdem nach und nach diese ganzen Reibereien zwischen den beiden Systemen angeglichen wurden lief es sehr viel besser und ich kam immer mehr in die Rolle des Hilfstrainers, die ich auch schon im Judo inne hatte. Das gute am Erklären ist, dass man dadurch nicht nur Wissen vermittelt, sonder auch für sich selber lernen kann. Bei Kampfsportarten trifft das meines Erachtens mehr zu als bei anderen Sportarten, da hier der Körperkontakt direktes Feedback gibt und man sich nicht nur auf die optischen Eindrücke verlassen muss. Dieses Feedback wurde sehr wichtig, als wir anfingen Sparring zu trainieren. Wenn man dort ein bisschen die Augen offen hält fallen einem allerlei kuriose und interessante Dinge an anderen und auch an sich selbst auf. Zu den interessanten Dingen zählen meines Erachtens die Schläge von unserem Trainer Jörg und mir, mit denen wir Personen, und seien sie noch so schwer, ohne Probleme um mehrere Meter weiter nach hinten befördern können. Das alles natürlich mit Körperschutz, wir wollen ja niemanden verletzen. Andererseits schafft es Joshua dann Jörg über ein gesamtes Fußballfeld zu drängen indem er seine Beine angreift und wegdrückt und damit die Aufmerksamkeit von seinen Armen zieht. Für mich war es eine interessante Erfahrung Geschwindigkeit gegen Kraft und Masse kämpfen zu lassen. Bei einem Training in der Beilsteinschule hatten wir uns Matten ausgelegt, damit wir im Kampf nicht nur schlagen können, sondern auch mal werfen, was mir natürlich sehr gelegen kam. Bei einem Kampf gegen Carsten kam es dann auch dazu, dass ich ihn gegriffen und geworfen gekriegt hab und mir in der Luft noch gedacht habe „Wenn wir aufkommen nehm ich ihn direkt in einen Haltegriff, da kommt er nicht mehr raus.“ Naja, das mit dem Fixieren ging dann nicht, weil Carsten, sobald er den Boden berührt hatte, unter mir verschwunden war. Und auch im folgenden Bodenkampf hat er mir durch seine Gewandtheit viele Probleme bereitet.

Nachdem wir vor einigen Wochen einer sehr großen Flut an Neulingen Herr werden mussten haben wir dort auch wieder die Einflüsse anderer Kampfsportarten auf Kung Fu zu sehen bekommen.
Interessant finde ich dabei den Einfluss des Boxen auf Kung Fu, da es einen echt krassen Gegensatz bildet. Wo ich im Boxen die Kraft aus meinen Armen hole und mich möglichst lang mache, versuche ich im Kung Fu die Kraft aus dem Druck meines Fußes in den Boden zu erlangen. Dadurch stehe ich um einiges fester, habe aber auch dafür eine kürzere Reichweite. Ich bin sehr gespannt zu sehen in welche Richtung sich diese Mischung der Kampfstile entwickelt.

Kai beim Kampftraining

Kai beim Kampftraining

Worauf ich nach alledem hinaus will ist folgendes: Es ist egal, was für Kampfkünste man lernt, es gibt nicht „die beste Kampfkunst“. Es ist wichtig, dass man für sich entscheidet was einem liegt um sich daraus seinen Kampfstil zu erarbeiten.
Hier noch ein kleiner Filmtip zu diesem Thema: „The Lost Bladesman“ mit Donnie Yen als Guan Yu. Wenn man ihn aufmerksam beobachtet merkt man, dass er viele Kampfkünste verbindet, was bei seiner Ausbildung auch gut nachzuvollziehen ist (wer Interesse hat, in der englischen Wikipedia steht eine Auflistung seiner gelernten Kampfkünste).

Also, geh mit wachen Augen durch die Welt und halte deinen Geist offen für neues.

Alles Gute
Kay Wicke

Ps: Welche Erfahrungen kannst du mit uns teilen? Gibt es vielleicht Stile die deiner Meinung nicht miteinander Vereinbar sind? Hinterlass uns doch einen Kommentar!