Aus der Waffenkammer der Kampfkünste Teil 2
Herzlich Willkommen zu unserem ersten Blog im Jahre 2016. Wir hoffen du hattest einen guten Start ins neue Jahr.
In unserem Text betreten wir erneut die Waffenkammer der Kampfkünste. Unser Mitglied Jörg Roth möchte heute eine seiner Lieblingswaffen des Kung fu vorstellen.
Aus der Waffenkammer der Kampfkünste Teil 2
Die Guan Dao.
(chinesisch 關刀 guan dāo: „ Das Messer des Guan“)
Diese wunderschöne Stangenwaffe hat ihren Namen von einem der bekanntesten Protagonisten aus der Zeit der drei Reiche. Guan Yu war General auf der Seite des Shu-Han Reiches unter der Herrschaft von Liu Bai. Guan Yu (Lebenszeit 160–219 n. Chr.) galt mit dieser Waffe als unbesiegbar und wird noch heute von vielen Menschen auf der ganzen Welt für seine überlieferte Treue, seinen Mut und seine Güte verehrt. Sein Grabmal bildet das Zentrum eines daoistischen Tempels in der Stadt Luoyang, der zu seinen Ehren erbaut wurde. Dieser Ort war natürlich ein Ziel bei meiner letzten Chinareise. Es war ein großartiges Gefühl, dort zu seinen Ehren Räucherkerzen anzuzünden und ein wenig zu verweilen.
Nun aber zur Guan Dao, der Drachenhellebarde. In den Erzählungen aus den Schlachten der 3 Reiche wird die Waffe als riesige Hellebarde mit einem Gewicht von ca. 45 Kilogramm beschrieben. Ich persönlich bin der Meinung, dass diese Angaben in das Reich der Mythen gehören. Dies wird sofort klar, wenn man sich traditionelle und zeitgenössische Darstellungen des Generals anschaut. Guan Yu führte diese Waffe anscheinend oft zu Pferd, also einhändig. Mit einem solchen Gewicht wäre die Waffe sicherlich beeindruckend gewesen, aber in einem Kampf oder auf einem Tagesritt absolut fehl am Platz. Es mag ja sein, dass es eine solch schwere und dementsprechend imposante Waffe für Paraden oder ähnliches gab, aber gekämpft wurde damit sicherlich nicht.
Vor einigen Jahren habe ich eine angeblich historisch korrekte Guan Dao gekauft. Die Daten dieser Waffe sind wie folgt:
Gesamtgewicht: 5,00 kg
Klingenlänge: 63,00 cm
Klingenstärke: 0,60 cm
Gesamtlänge: 200,00 cm
Die Form der Klinge ist nicht nur wunderschön, sondern auch sehr praktisch. Das Klingenblatt ist eine etwas größere Version einer Säbelklinge. Auf dem Klingenrücken ist sie jedoch nicht glatt und stumpf. Die Spitze des Klingenrückens ist ebenfalls geschärft und nach einer Weile folgt eine Art geschärfter Haken. Dieser eignet sich wundervoll für das Parieren und Fixieren von Stangenwaffen. Damit ist es mit ein wenig Übung ein leichtes, Stöcke oder ähnliches abzufangen und stellenweise sogar zu brechen. Die Klinge ist in Gedenken an die „Hellebarde des Grünen Drachen“ (wie man General Guan auch nannte) mit einem Drachenmotiv verziert. Traditionell haben diese Waffen eine Art Drachenmaul, aus der die Schwertangel in die Klinge übergeht. Meist sind diese wohl aus Bronze gearbeitet gewesen.
In manchen Museen in China kann man Originale bewundern. Beispielsweise im historischen Museum von Luoyang. Auf das Drachenmaul folgt eine kleine Parierscheibe aus Metall. Die Stange war anscheinend meist aus Holz, da bei den Originalfunden keine Verbindungsstangen mehr gefunden wurden. In den Jahren in der Erde Chinas sind diese der Zersetzung zum Opfer gefallen. Am anderen Ende der Stange sieht man sehr schön, dass die Waffe auch zu Pferd genutzt werden konnte. Das Gegengewicht zur Klinge wird nicht, wie bei vielen Übungswaffen, von einem scharfen Speer gebildet, sondern durch eine Art stumpfen Morgenstern. Ein scharfes, spitzes Ende würde beim Reiten sicherlich die Flanke des Pferdes verletzten.
Ich mag diese Ausführung der Waffe sehr, sie ist perfekt ausbalanciert und die Klinge ist scharf, was ihr beim trainieren den gebührenden Respekt verleiht. Hin und wieder ist es sehr gut mit echten scharfen Klingen zu trainieren, wie ich finde. Die Bewegungsgeschwindigkeit wird mit einer schweren scharfen Waffe sofort langsamer. Der respektvolle Umgang mit dem Übungsgerät lässt einen die Bewegungen sauberer erlernen, als mit einer leichten stumpfen Waffe und Fehler tun sofort weh. Es schult die Achtsamkeit.
Zu dem Bewegungsmuster der Guan Dao:
Ist das Gewicht der Hellebarde erst mal in Bewegung, lässt man den Körper der Waffe folgen. Bei schnellen Bewegungen ist ein plötzlicher Richtungswechsel fast nicht möglich. Aus diesem Grund bewegt man sich mit der Guan Dao stetig in Rotationen und Kreisen. Man behält die Waffe so lange in Bewegung, bis man ihre volle Wucht in einem Schlag bündelt. Die Fliehkraft der Waffe wird dann in einem festen Stand unter enormen Kraftaufwand gestoppt. Die Waffe verbindet, wenn man genügend Bewegungsfreiraum hat, meiner Meinung nach, die positiven Eigenschaften von Stock, Speer und Säbel. Negativ ist hingegen ihre enorme Größe, das Gewicht und die etwas eingeschränkte Handhabung.
Auf freiem Feld war diese Waffe wahrscheinlich gegen 200 n. Chr. eine wirkliche Bedrohung für die Fußsoldaten. Ein geübter Kämpfer konnte mit ihr sicherlich gegen mehrere Feinde gleichzeitig bestehen und Furcht in den gegnerischen Reihen schüren. Die Fußsoldaten der damaligen Zeit waren meist mit Säbeln und Schilden oder mit Speeren bewaffnet. Die Guan Dao konnte beide dieser Waffen in sich vereinen und gab dem Kämpfer einen Vorteil. Außerdem war es, wie ich aus einem kleinen Versuch nachvollziehen kann, wohl ziemlich schwer, einen kraftvollen Schlag der Hellebarde mit einem einhändig geführten Rund-Schild zu parieren. Die auftreffende Kraft bringt das Schild und den Träger buchstäblich aus der Balance.
Zum Schluss möchte ich noch kurz auf die Guan Dao Form, welche ich im Shaolin Tempel in China lernen durfte, eingehen. Ich hatte darauf bestanden eine alte Kampfform zu lernen. Diese beinhaltet keinerlei Sprünge oder akrobatische Strukturen. Sie wird eingeleitet durch einen kraftvollen Hieb von unten nach oben – schon bei dieser Bewegung macht einem die Waffe klar, dass sie ein wundervolles Krafttrainingsgerät ist.
Eine der schwersten Passagen ist immer noch eine Stelle, an der man aus der Rotation der Waffe ihr Gewicht in einem einbeinigen Stand auffangen muss. Und das ohne zu wackeln.
Die Waffe wird hauptsächlich von der rechten Hand geführt. Die Linke kommt meist nur bei Hieben und dem Stoppen der Klingenrotation zum Einsatz. Das Training mit der Guan Dao hat mir daher einen Muskel auf dem rechten Schulterblatt beschert, der gut sichtbar ausgeprägt und auf der linken Seite nicht vorhanden ist. Man sollte ab und zu auch mit der linken Hand trainieren, da sich sonst auch die Unterarmmuskulatur einseitig ausbildet.
Ich hoffe dir hat der kleine Bericht über die Hellebarde des Guan Yu gefallen. Mehr zu der Waffe und zu ihrem sagenumwobenen Schöpfer kannst du z.B. in den Büchern von Luo Guanzhong ( Die Geschichte der drei Reiche ) lesen. Doch hier ist zu bedenken, dass diese Romane erst gegen 1522 geschrieben wurden. Sie bestehen aus historischen Überlieferungen, gepaart mit Legenden und Ausschmückungen des Autors. Neben Sanguo zhi pinghua (Volkstümliche Erzählung der Geschichte der Drei Reiche) gelten die Bücher von Luo Guanzhon aber immernoch als Informationquelle zu dieser turbulenten Zeit.
Bis zum nächsten mal .
Jörg Roth
Wir hoffen du hattest Freude an unserem kleinen Bericht und wünschen Dir ein glückliches und kraftvolles 2016. Du hast Fragen zu weiteren exotischen Waffen? Kein Problem. Hinterlasse uns einfach einen Kommentar.
Danke fürs reinschauen und bis bald,
Dein Team des Tai Chi Akademie Kaiserslautern e.V.