Unser Training in der Schule für ganzheitliche Förderung am Beilstein
Hallo zusammen,
hier ist mal wieder Jörg Roth aus dem Trainerteam der Tai-Chi Akademie Kaiserslautern,
heute möchte ich euch meine Arbeit an der Schule für ganzheitliche Förderung am Beilstein etwas genauer vorstellen und einige der kleinen Wunder, die ich dort wöchentlich erlebe, mit euch teilen.
Angefangen hat das Kung Fu Training am Beilstein vor ca. einem viertel Jahr.
Als ich meine Idee im Lehrerzimmer gemeinsam mit meinem Kollegen Joshua Bold vorstellte, trafen wir nicht sofort auf große Unterstützung. Einige Mitglieder der Lehrerschaft waren sehr skeptisch, einzelne jedoch waren Feuer und Flamme.
Nach dem ersten Probetraining kippte diese Einstellung im Kollegium in ein geschlossenes Ja, für die Aktion.
Denn schon in dieser ersten Stunde konnte ich, gemeinsam mit den unterstützenden Lehrern, kleine und große Überraschungen erleben.
Die beiden schönste Erlebnisse, dieses ersten Treffens möchte ich gern etwas genauer ausführen.
Da ist z.B. Makeda, eine junge Dame mit unglaublichem Talent. Makeda hat die Fähigkeit Bewegungen im Sekundenbruchteil zu imitieren. Selbst hohe Formen des Shaolin Kung Fu werden von ihr einfach gespiegelt und mit Leichtigkeit ausgeführt. Diese Fähigkeit ist gepaart mit einem sehr starken Willen und der Ausdauer eines Profikämpfers. Nie zuvor hatte sie ähnliche Sportarten geübt. Aufgefallen war nur, dass sie eine Begabung für Tanz besitzt. Auf ihre Beeinträchtigungen möchte ich hier nicht eingehen, nur auf ihr Können. Ihre Leistung hat sich in den letzten Monaten so sehr gesteigert, dass sie nun an unserem ganz normalen Fortgeschrittenen Training jeden Montag Abend teilnimmt und sich perfekt in die Gruppe der Tai Chi Akademie eingegliedert hat. Makeda übt beherzt und das Training scheint auch immer mehr positiv auf ihre pathologisch bedingten Schwächen zu wirken. Ich bin sehr stolz auf unsere Makeda, denn sie hat wieder einmal bewiesen, dass nur wir selbst entscheiden wer wir sind.
Des Weiteren möchte ich einen weiteren Schüler besonders hervorheben. Justin.
Er wurde mir anvertraut als unsicherer und unaufmerksamer Junge. In unserer ersten Stunde hat mir Justin jedoch mehr beigebracht, als alle Dharmameister, bei denen ich in buddhistischer Lehre unterwiesen wurde.
Ich erklärte den Kid’s den MaBu, einen sehr anstrengenden Stand aus den Grundübungen des Kung Fu. Man hat dabei die Vorstellung auf einem Pferd zu sitzen, aus diesem Grunde auch MaBu, was zu deutsch PFERDE-STAND heißt.
Die Knie sollten dabei einen rechten Winkel bilden und das Gewicht des aufrechten Oberkörpers ruht in der Mitte der über Schulterbreit gestellten Beine.
Alle nahmen diese Haltung nach bestem Können ein und die meisten begannen sich sofort über die schmerzenden Oberbeine und Waden zu beschweren, wie in jeder normalen Trainngsstunde auch. Ich versuchte darauf, jeden einzelnen Schüler von den Anstrengungen abzulenken und ging zu jedem einzelnen, um ihm folgende Aufgabe zu geben. Sie sollten aus dem Fenster sehen und mir etwas im Wald zu zeigen, dass ihm oder ihr in diesem Moment besonders gefällt. Fast alle machten es sich sehr einfach und so bekam ich Antworten wie: Ich seh Blätter! oder noch besser: Ich seh Wald!
Dabei standen sie immer wieder auf und hielten sich die schmerzenden Beine. Nur einer war völlig still und als ich zu ihm kam, viel mir auf, dass seit Beginn der Übung ca sechs Minuten vergangen waren. Sechs lange Minuten! Ich kenne nur wenige Meister, die diese Haltung völlig regungslos sechs Minuten lang aushalten. Das wundervollste war aber Justins Antwort auf meine Frage. Ich fragte Ihn: „Was siehst du?“ Darauf antwortete er mit entspannter und ruhiger Stimme: „Ich sehe ein Blatt, ein grünes Blatt wie alle anderen, aber es ist besonders und sehr schön.“ Ich folgte seinem Blick und sah ein einzelnes Blatt, das in der Herbstsonne glänzte.
Es ist ein Blatt wie alle anderen, aber es ist etwas besonders.
Ist dieser Satz nicht wundervoll.
In diesem Moment wusste ich, dass in diesen Stunden nicht immer ich der Lehrer sein werde, sondern sehr oft auch der Schüler. Ich werde die Möglichkeit bekommen, Dinge zu lernen, die mir ohne den Besuch der Beilsteinschule im Leben verwehrt geblieben wären.
Hiermit möchte ich den heutigen Post beenden und mich noch bei den mit trainierenden Lehrkräften und der Konrektorin Frau Barthel, für das Vertrauen, bedanken.
Ganz besonders jedoch Danke ich meinen Schülern vom Beilstein, für jedes Lachen, jede Eigenheit und jeden Funken der Wahrheit die sie mir zeigen.
Mehr über die Schule am Beilstein könnt ihr auf dieser Webseite erfahren:
Wer unseren bisher gemeinsam gemeisterten Weg beschauen möchte, kann dies am Tag der Offenen Tür, am 22. März auf dem Gelände der Schule am Beilstein in Kaiserslautern, bei unserer ersten Vorführung, tun.
Ich selbst werde zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich gerade in Erfurt, in einem Tourbus, aufwachen und kann die Vorführung leider nicht selbst miterleben. Geleitet werden die Schüler an diesem Tag von unserem Joshua, der mich ab nächstem Dienstag im Training an der Förderschule unterstützen wird.
Ich möchte euch alle, die diese Zeilen lesen, ermutigen öfter mit den Augen von Justin zu sehen, achtsamer durch diese Welt zu gehen, mit dem Lächeln eines Kindes auf den Lippen, getragen von dem Willen und Durchhaltevermögen von Makeda.
Über Anregungen und Fragen zu dem Thema freue ich mich natürlich. Schickt uns einfach eine Mail über unser Kontaktformular.
Vielleicht könnt auch Ihr an einer ähnlichen Schule oder anderen Einrichtungen solche kleinen Wunder erleben.
Ich wünsche euch allen viel Freude auf eurem Weg.
Gruß
Jörg Roth