Selbstverteidigung beginnt im Kopf

Hallo lieber Leser,
 
Mein Name ist Markus Lesmeister, ich bin einer der unterrichtenden Kung Fu Meister der Tai Chi Akademie Kaiserslautern. In unserem heutigen Blog möchte ich auf eine jetzt mehr oder weniger aktuelle Frage eingehen.
„Ist das Erlernen von Techniken zur Selbstverteidigung heute überhaupt noch wichtig, oder gar nötig“.
 

Unsere Kung Fu Meister Dirk und Markus beim Kampftraining.

Unsere Kung Fu Meister Dirk und Markus beim Kampftraining.

Als unser Trainer Jörg mit der Bitte um diesen Text vor ca. 4 Wochen an mich herangetreten ist, habe ich angefangen mich mit dem Thema noch einmal tiefer auseinander zu setzen. Zu diesem Zeitpunkt waren die aktuellen, sehr bedenklichen Ereignisse noch in weiter Ferne. Trotz allem möchte ich die Frage ungeachtet dessen was geschehen ist aufgreifen und sie, Ereignis neutral, erörtern.
 
Wie bei allem bemüht man sich erst einmal einer genauen Definition, schaut bei der Weltgrößten Bibliothek nach und findet dort folgende Eintragung:
„Als Selbstverteidigung wird die Vermeidung und die Abwehr von Angriffen auf die seelische oder körperliche Unversehrtheit eines Menschen bezeichnet.“
 
Zu Beginn schossen mir tausend Dinge durch den Kopf, doch in den 25 Jahren in denen ich meinen Sport nun betreibe, habe ich eines festgestellt. Egal welche Tätigkeit ich ausübte, egal wo ich auf der Welt war, was ich tat oder tun wollte, meine geistige Haltung (mentale Verfassung) war immer wichtiger als meine körperliche. Also nähere ich mich der Frage mal von einer anderen als der gewohnten Seite. Und hier fängt dann auch schon die Reise an. Ich habe mit 16 Jahren, also recht spät, mit Kampfsport angefangen und über die Jahre erst die Kampfkunst, also das tiefgründige hinter dem Sport, entdeckt. Ich war ein eher unscheinbarer und nicht gerade selbstbewusster Mensch mit den ein oder anderen Defiziten im Selbstbewusstsein. So war es für mich das größte Lernfeld, mich lediglich oder eben nur (je nachdem wie man es sieht) durch Leistung und mein Handeln „hocharbeiten“ zu müssen bzw. können. Wobei um ehrlich zu bleiben, die Leistung welche zu Beginn meines „Studiums“ erbracht werden musste, sich lediglich auf meinen Körper beschränkte. Die mentale Entwicklung setzte leicht zeitverzögert, mit der zunehmend wachsender Ernsthaftigkeit ein.
 
Ich merkte also doch sehr schnell, dass ohne Geist und Wille nichts geht. Hier musste ich also ansetzen…..
Wille!?

Aha, es ist also der Impuls welcher Nötig ist, zur Verwirklichung eigener Ziele. Aber welchen Sinn hat es denn, so etwas kompliziertes und aufwendiges erlernen zu wollen?; was soll das Ziel sein, wo soll es enden? . Hmmmm
Sinn?!
Also welchen Zweck hat es, was ist der Grund warum ich Kampfkunst lernen will oder soll;
Ziel?!
Also welchen definierten Zustand möchte ich denn erreichen?
Meine Geistige Haltung nahm also Gestalt an:
WILLE, SINN, ZIEL waren die Fragen –> EHRE, RESPEKT, ANERKENNUNG die Antworten die ich immer öfter bekam.
 

Die beiden Kung Fu Brüder trainieren seit ca 25 Jahren zusammen. Ihr Spezialgebiet ist der die kämpferische Anwendung des traditionellen Kung Fu.

Die beiden Kung Fu Brüder trainieren seit ca 25 Jahren zusammen. Ihr Spezialgebiet ist der die kämpferische Anwendung des traditionellen Kung Fu.

Ja Himmel, was hat denn das mit der Selbstverteidigung zu tun werdet ihr euch sicher Fragen, …….für mich sehr viel.
 
Für mich fängt die Verteidigung meiner selbst mit meinem Auftreten (der Körperspannung) und der inneren Haltung (der Wachsamkeit des Geistes ) an und bewegt sich dann über meine Physis hin zu meinem Gegner.
 
Eine Studie über Viktimologie in den USA nach welcher Typologie sich Verbrecher ihre Opfer aussuchen brachte zu Tage, dass die Körperhaltung und unsicheres Auftreten die Hauptkritiken bei spontanen Angriffen, für deren Auswahl waren. Also führt selbstsicheres auftreten und das Bewusstsein in einer gefährlichen Situation sich seiner selbst erwehren zu können im Umkehrschluss zu mehr Sicherheit und somit zu weniger Risiko. Das alleine bestätigt mich, dass ich das, was vergangene Generationen in ihrem Alltag zum überleben unabdingbar benötigten, heute zwar nicht mehr zum überleben im Alltag notwendig ist, wohl aber zur Prävention und zur Deeskalation in besonderen Situationen.
 
Aber zurück zu der Frage was hat das mit der Wichtigkeit und dem erlernen von Selbst-verteidigung zu tun? Durch das Studieren von Techniken, dem Auseinandersetzen mit fiktiven und realen Situationen erlange ich durch Übung, Sicherheit. Sicherheit geht in Routine über und Routine führt zu richtigen Reaktionen und zu guten Reflexen in den Situationen in denen ich diese benötige. Durch die richtigen Reflexe verhilft mir die Routine wiederum den Überblick zu bewahren und somit gewinne ich die Zeit, um das vermeintlich richtige zu tun. Aber was bringt mir das alles? Nun in unserem täglichen Leben praktizieren wir das bereits in vielen Bereichen immer und immer wieder, z.T. sogar minütlich, beispielsweise im Beruf oder beim Autofahren. Oder warum wird sonst zur Fahrschule und der täglichen Praxis ein Fahrsicherheitstraining angeboten? OK, aber muss ich denn üben was ich vermeintlich nie brauche? Unter Umständen schon, denn hoffentlich muss auch niemand sein Können beim Über- oder Untersteuern seines Fahrzeuges unter Beweis stellen. Aber toll ist es doch wenn man es kann und somit viel sicherer fährt. Ja soll denn jetzt jeder lernen sich selbst verteidigen zu können? Nö, nur die, die etwas sicherer unterwegs sein wollen.
 
Alles Gute
Markus Lesmeister
 
Wie hat dir der Blog gefallen? Schreib uns einfach deine Meinung. Hast du Anregungen oder Erfahrungen gemacht die du mit uns teilen möchtest? In 4 Wochen geht es weiter mit diesem Thema
Lass es uns wissen.
Bis zum nächsten Mal.
Dein Team der Tai Chi Akademie

Aus der Waffenkammer der Kampfkünste Teil 2

 

Herzlich Willkommen zu unserem ersten Blog im Jahre 2016. Wir hoffen du hattest einen guten Start ins neue Jahr.

 

In unserem Text betreten wir erneut die Waffenkammer der Kampfkünste. Unser Mitglied Jörg Roth möchte heute eine seiner Lieblingswaffen des Kung fu vorstellen.

 

 

Aus der Waffenkammer der Kampfkünste Teil 2

Die Guan Dao.

(chinesisch 關刀 guan dāo: „ Das Messer des Guan“)

 

Diese wunderschöne Stangenwaffe hat ihren Namen von einem der bekanntesten Protagonisten aus der Zeit der drei Reiche. Guan Yu war General auf der Seite des Shu-Han Reiches unter der Herrschaft von Liu Bai. Guan Yu (Lebenszeit 160–219 n. Chr.) galt mit dieser Waffe als unbesiegbar und wird noch heute von vielen Menschen auf der ganzen Welt für seine überlieferte Treue, seinen Mut und seine Güte verehrt. Sein Grabmal bildet das Zentrum eines daoistischen Tempels in der Stadt Luoyang, der zu seinen Ehren erbaut wurde. Dieser Ort war natürlich ein Ziel bei meiner letzten Chinareise. Es war ein großartiges Gefühl, dort zu seinen Ehren Räucherkerzen anzuzünden und ein wenig zu verweilen.

 

Jörg Roth unterrichtet die Guan Dao in unserem Verein.

Jörg Roth unterrichtet die Guan Dao in unserem Verein.

 

Nun aber zur Guan Dao, der Drachenhellebarde. In den Erzählungen aus den Schlachten der 3 Reiche wird die Waffe als riesige Hellebarde mit einem Gewicht von ca. 45 Kilogramm beschrieben. Ich persönlich bin der Meinung, dass diese Angaben in das Reich der Mythen gehören. Dies wird sofort klar, wenn man sich traditionelle und zeitgenössische Darstellungen des Generals anschaut. Guan Yu führte diese Waffe anscheinend oft zu Pferd, also einhändig. Mit einem solchen Gewicht wäre die Waffe sicherlich beeindruckend gewesen, aber in einem Kampf oder auf einem Tagesritt absolut fehl am Platz. Es mag ja sein, dass es eine solch schwere und dementsprechend imposante Waffe für Paraden oder ähnliches gab, aber gekämpft wurde damit sicherlich nicht.

 

Eine etwas übertriebene Version der Hellebarde im Guan Lin Tempel in Luoyang

Eine etwas übertriebene Version der Hellebarde im Guan Lin Tempel in Luoyang

Vor einigen Jahren habe ich eine angeblich historisch korrekte Guan Dao gekauft. Die Daten dieser Waffe sind wie folgt:

 

Gesamtgewicht: 5,00 kg
Klingenlänge: 63,00 cm
Klingenstärke: 0,60 cm
Gesamtlänge: 200,00 cm

 

Die Form der Klinge ist nicht nur wunderschön, sondern auch sehr praktisch. Das Klingenblatt ist eine etwas größere Version einer Säbelklinge. Auf dem Klingenrücken ist sie jedoch nicht glatt und stumpf. Die Spitze des Klingenrückens ist ebenfalls geschärft und nach einer Weile folgt eine Art geschärfter Haken. Dieser eignet sich wundervoll für das Parieren und Fixieren von Stangenwaffen. Damit ist es mit ein wenig Übung ein leichtes, Stöcke oder ähnliches abzufangen und stellenweise sogar zu brechen. Die Klinge ist in Gedenken an die „Hellebarde des Grünen Drachen“ (wie man General Guan auch nannte) mit einem Drachenmotiv verziert. Traditionell haben diese Waffen eine Art Drachenmaul, aus der die Schwertangel in die Klinge übergeht. Meist sind diese wohl aus Bronze gearbeitet gewesen.

 

In manchen Museen in China kann man Originale bewundern. Beispielsweise im historischen Museum von Luoyang. Auf das Drachenmaul folgt eine kleine Parierscheibe aus Metall. Die Stange war anscheinend meist aus Holz, da bei den Originalfunden keine Verbindungsstangen mehr gefunden wurden. In den Jahren in der Erde Chinas sind diese der Zersetzung zum Opfer gefallen. Am anderen Ende der Stange sieht man sehr schön, dass die Waffe auch zu Pferd genutzt werden konnte. Das Gegengewicht zur Klinge wird nicht, wie bei vielen Übungswaffen, von einem scharfen Speer gebildet, sondern durch eine Art stumpfen Morgenstern. Ein scharfes, spitzes Ende würde beim Reiten sicherlich die Flanke des Pferdes verletzten.

 

Ich mag diese Ausführung der Waffe sehr, sie ist perfekt ausbalanciert und die Klinge ist scharf, was ihr beim trainieren den gebührenden Respekt verleiht. Hin und wieder ist es sehr gut mit echten scharfen Klingen zu trainieren, wie ich finde. Die Bewegungsgeschwindigkeit wird mit einer schweren scharfen Waffe sofort langsamer. Der respektvolle Umgang mit dem Übungsgerät lässt einen die Bewegungen sauberer erlernen, als mit einer leichten stumpfen Waffe und Fehler tun sofort weh. Es schult die Achtsamkeit.

 

Jörg Roth am Grab des heldenhaften Guan Yu im Guan Lin Tempel

Jörg Roth am Grab des heldenhaften Guan Yu im Guan Lin Tempel

 

Zu dem Bewegungsmuster der Guan Dao:

 

Ist das Gewicht der Hellebarde erst mal in Bewegung, lässt man den Körper der Waffe folgen. Bei schnellen Bewegungen ist ein plötzlicher Richtungswechsel fast nicht möglich. Aus diesem Grund bewegt man sich mit der Guan Dao stetig in Rotationen und Kreisen. Man behält die Waffe so lange in Bewegung, bis man ihre volle Wucht in einem Schlag bündelt. Die Fliehkraft der Waffe wird dann in einem festen Stand unter enormen Kraftaufwand gestoppt. Die Waffe verbindet, wenn man genügend Bewegungsfreiraum hat, meiner Meinung nach, die positiven Eigenschaften von Stock, Speer und Säbel. Negativ ist hingegen ihre enorme Größe, das Gewicht und die etwas eingeschränkte Handhabung.

 

Auf freiem Feld war diese Waffe wahrscheinlich gegen 200 n. Chr. eine wirkliche Bedrohung für die Fußsoldaten. Ein geübter Kämpfer konnte mit ihr sicherlich gegen mehrere Feinde gleichzeitig bestehen und Furcht in den gegnerischen Reihen schüren. Die Fußsoldaten der damaligen Zeit waren meist mit Säbeln und Schilden oder mit Speeren bewaffnet. Die Guan Dao konnte beide dieser Waffen in sich vereinen und gab dem Kämpfer einen Vorteil. Außerdem war es, wie ich aus einem kleinen Versuch nachvollziehen kann, wohl ziemlich schwer, einen kraftvollen Schlag der Hellebarde mit einem einhändig geführten Rund-Schild zu parieren. Die auftreffende Kraft bringt das Schild und den Träger buchstäblich aus der Balance.

 

Einer der Altäre zu Ehren von Gerneral Guan Yu

Einer der Altäre zu Ehren von Gerneral Guan Yu

 

Zum Schluss möchte ich noch kurz auf die Guan Dao Form, welche ich im Shaolin Tempel in China lernen durfte, eingehen. Ich hatte darauf bestanden eine alte Kampfform zu lernen. Diese beinhaltet keinerlei Sprünge oder akrobatische Strukturen. Sie wird eingeleitet durch einen kraftvollen Hieb von unten nach oben – schon bei dieser Bewegung macht einem die Waffe klar, dass sie ein wundervolles Krafttrainingsgerät ist.

 

Eine der schwersten Passagen ist immer noch eine Stelle, an der man aus der Rotation der Waffe ihr Gewicht in einem einbeinigen Stand auffangen muss. Und das ohne zu wackeln.

 

Die Waffe wird hauptsächlich von der rechten Hand geführt. Die Linke kommt meist nur bei Hieben und dem Stoppen der Klingenrotation zum Einsatz. Das Training mit der Guan Dao hat mir daher einen Muskel auf dem rechten Schulterblatt beschert, der gut sichtbar ausgeprägt und auf der linken Seite nicht vorhanden ist. Man sollte ab und zu auch mit der linken Hand trainieren, da sich sonst auch die Unterarmmuskulatur einseitig ausbildet.

 

Wir unterrichten eine sehr alte Guan Dao Form, die Jörg Roth im Shaolin Tempel in China, von den Kampfmönchen, erlernt hat.

Wir unterrichten eine sehr alte Guan Dao Form, die Jörg Roth im Shaolin Tempel in China, von den Kampfmönchen, erlernt hat.

 

Ich hoffe dir hat der kleine Bericht über die Hellebarde des Guan Yu gefallen. Mehr zu der Waffe und zu ihrem sagenumwobenen Schöpfer kannst du z.B. in den Büchern von Luo Guanzhong ( Die Geschichte der drei Reiche ) lesen. Doch hier ist zu bedenken, dass diese Romane erst gegen 1522 geschrieben wurden. Sie bestehen aus historischen Überlieferungen, gepaart mit Legenden und Ausschmückungen des Autors. Neben Sanguo zhi pinghua (Volkstümliche Erzählung der Geschichte der Drei Reiche) gelten die Bücher von Luo Guanzhon aber immernoch als Informationquelle zu dieser turbulenten Zeit.

 

Bis zum nächsten mal .
Jörg Roth

 

 

Wir hoffen du hattest Freude an unserem kleinen Bericht und wünschen Dir ein glückliches und kraftvolles 2016. Du hast Fragen zu weiteren exotischen Waffen? Kein Problem. Hinterlasse uns einfach einen Kommentar.

 

Danke fürs reinschauen und bis bald,

Dein Team des Tai Chi Akademie Kaiserslautern e.V.