Jaap und Jörg im Zentrum von Himmel und Erde
Montag ist Blogtag,
Herzlich Willkommen zu unserem neuen Blogeintrag. Heute hat unser Jörg Roth wieder einen Tagesbericht aus China für dich. Im Juni war er zusammen mit unserem Schüler Jaap Sanders, 2,5 Wochen im Shaolin Tempel / Henan / China. Den beiden liegt neben der Kampfkunst, auch die chinesische Kultur am Herzen. Zusätzlich zu der buddhistischen Tradition des Shaolintempels, wollten sie auch die Welt des Daoismus erfahren und verbrachten einen Tag im Zhongzhou Yue Miao, dem Zentrum von Himmel und Erde in der Stadt Dengfeng.
Was sie erlebt haben, erfährst du in den folgenden Zeilen.
Hallo, hier ist mal wieder Jörg Roth.
Der Morgen in Shaolin begann wie meist gegen 6.30 Uhr mit Müsli, Früchten, Eiern und einem löslichen Kaffe auf unserem Zimmer.
Gegen 8 Uhr machten Jaap und ich uns auf den Weg zur Trainingshalle im Shaolin Tempel. Nach 2 Runden laufen durch den Tempel, folgte wie jeden Tag das Dehnen an den Felsen hinter der Dharmahalle.
Kurz vor 9 Uhr kam unser Meister Shi Yan Zhao und sagte uns, dass wir heute nicht im Tempel trainieren, sondern ganz traditionell zur Bodhidharmastatue laufen würden. Mit laufen meinte er natürlich rennen.
Bei ca 34 °C ist das wirklich keine Freude. Ich muss ganz ehrlich sein, ich musste drei kleine Pausen einlegen um oben anzukommen. Einer dieser Zwischenstops beinhaltete einige Niederwerfungen an der Bodhidharma-Höhle. Auf dem Gipfel des Berges, neben der weißen Statue des ersten Patriarchen, musste ich mir noch einmal 5 Minuten Ruhe gönnen. Nach drei Niederwerfungen vor Bodhidharma mit einem Räucherstäbchen in der Hand, machte ich mich auf den Rückweg. Das Räucherstäbchen ist ein Beweis dafür, dass der Schüler den Weg wirklich komplett gelaufen ist. Der Rückweg verging, im wahrsten Sinne des Wortes, wie im Fluge. Die Treppen sind so steil, dass es anstrengender ist zu bremsen, als einfach nur durchzurennen. Ab und zu muss man aufpassen, dass man bei einem Sprung über die nächsten fünf Treppen oder im vollen Rennen, keinen verträumten Touristen niederstreckt. Nach ca. 50 Minuten war der erste „Dharmarun“ dieses Aufenthaltes für mich beendet.
Unser Meister erwartete Jaap und mich an der Pforte des Nonnenkonvents, in der Nähe des Shaolinhaupttempels. Dort warteten auch unsere Waffen auf uns. So verbrachten wir die restliche Stunde mit dem Training an Speer und Pu Dao ( kleine Hellebarde )
Nach dem Mittagessen, hatten wir an diesem Tag trainingsfrei. Nach den Strapazen des Morgens war ich um diesen Umstand auch von ganzem Herzen dankbar.
Trotzdem hatten wir uns etwas für den Nachmittag vorgenommen und so fanden wir uns gegen 14 Uhr in einem Taxi nach Deng Feng wieder. Unser Ziel war dieses Mal aber nicht die Innenstadt, sonder der größte taoistische Tempel der Provinz Henan. Den ZHONG YUE MIAO (Tempel des Mittleren Gebirges).
Schon am Tor der Anlage waren wir von der Schönheit der Architektur beeindruckt, jedoch sollte dieser erste Blick nur eine Vorbereitung auf den schönsten Tempel sein, den ich in meinem Leben jemals betreten habe. Über zwei von Bäumen gesäumte kleine Alleen und ein weiteres Tor betraten wir den ersten bebauten Hof der Anlage, der in einer Art Empfangshalle mündete.
Dort trafen wir auf die ersten taoistischen Meister. Einer von ihnen kam sofort lachend auf uns zu und bot uns Kuchen an. Etwas perplex aber dennoch froh über diese Begrüßung stellten wir uns mit meinen grundlegenden Chinesischkenntnissen und der internationalen Sprache von Händen und Füßen vor. Er wollte alles wissen. Wo wir herkommen. Wo wir wohnen. Wie alt wir sind. Ob wir Kung fu trainieren, usw. Nachdem die Haltung des Meisters immer herzlicher wurde und er uns schließlich anbot, uns durch den Tempel zu führen, fragte ich ihn nach einem Foto. Er sagte sofort ja, bestand aber darauf, auch eines mit mir haben zu dürfen. So schickte er einen seiner Schüler los um sein Handy zu holen und wir machten einige Fotos.
Anschließend begann die Führung durch den Komplex. Als erstes zeigte er uns den ältesten Baum im Tempel, der als Heiligtum gilt – ein wirklich erstaunlicher, von der Zeit gezeichneter Stamm, der eine mächtige grüne Nadelkrohne trägt, die mit roten Bändern übersät ist. Leider konnte ich nicht alles verstehen, was unser freundlicher Begleiter darüber erzählte. Dieser Umstand ärgerte mich ein wenig und ich schwor mir, meine Sprachkenntnisse bis zu meiner nächsten Reise in das Land der Mitte zu vertiefen. Im nächsten Hof stand eine große gelbe Kürbisflasche, die, soviel ich weiß, auf einen der acht Unsterblichen der taoistisischen Lehre zurückgeht. Die Flasche des Li Tieguai, soll magische und heilende Substanzen beinhalten. Wer daraus trinkt, erhalte ewiges Leben.
Die Flasche stand im Zentrum des Hofes und von ihr aus ging es in den Himmelsrichtungen zu vier wunderschönen Hallen. Jede dieser Hallen scheint einer Himmelsrichtung gewidmet zu sein.
An Ihren Innenwänden befanden sich Fresken aus den Epochen der Menschheit. So waren zum Beispiel in der ersten Halle Bilder und Szenarien aus dem Leben der Höhlenmenschen und in der nächsten das Aufblühen der Zivilisation in China zu sehen.
Die Decken der Hallen waren kunstvoll verziert und in der Mitte stand immer ein Schrein mit Heiligen und Geisterwesen. Über dem Schrein befand sich immer ein Tier, welches aus der Decke auf den Schrein hinab blickte. Einmal ein Drache, dann ein Phönix.
Leider konnte ich nicht alle Hallen in diesem Hof anschauen, da unser Guide stolz den nächsten Hof präsentieren wollte.
Auf unserem Weg trafen wir immer wieder auf Priester und Nonnen die uns freundlich grüßten, Tee anboten oder wissen wollten, wie uns der Tempel gefällt.
Alles in allem muss ich sagen, so freundlich und herzlich wurde ich noch nie in einem buddhistischen Tempel aufgenommen. Des weiteren, ist mir aufgefallen, dass Taoisten anscheinend viel mehr lachen als Buddhisten. Ich hatte nicht einmal das Gefühl, dass wir unerwünscht wären. Es war einfach nur schön, diese Herzlichkeit erleben zu dürfen und man fühlte sich sofort heimisch wohl.
Im nächsten Hof des Tempels stand die große Himmelshalle. Ein mächtiges Gebäude mit einer imposanten Treppe, die von wirklich großen Räucheröfen flankiert wurde. Dort verließ uns der freundliche Meister, da er von einem Kollegen gerufen wurde. Auf einer Erhöhung im Zentrum des Platzes vor der Halle war ein kleines Loch im Boden, in dem eine Art Kristallkugel eingelassen war. Eine sehr nette Nonne versuchte uns zu erzählen, was es damit auf sich hatte. Soviel wir es verstanden haben, handelt es sich um das sogenannte ZENTRUM VON HIMMEL UND ERDE. An einem der Festtage im Tempel scheint die Sonne direkt in das Loch und erleuchtet die Kugel. Wenn man sich darüber stellt, hat man in diesem Moment keinen Schatten und steht somit im Zentrum zwischen Himmel und Erde. Nach dieser Einweisung gingen wir hinauf zur Halle.
Dort konnte man einen taoistischen Segen bekommen. Für 150 Yuan (ca. 20 Euro), die dem Tempel zugute kommen, bekam man einen Zylinder mit Holzstäbchen vorgehalten. Nachdem die Stäbchen durch im Kreis schwenken gemischt wurden, durfte man eines ziehen. Dieses Zufallssystem entscheidet über den Segenstext den man ausgehändigt bekommt. Ich fand dieses kleine Ritual sehr schön und nahm die Chance dazu gerne an. Anschließend setzen wir uns in eine Ecke des Platzes und genossen einfach den Moment. In diesem Moment wurde mir erst mal klar, dass hier im Tempel außer uns gerade mal rund 20 Besucher waren. In Shaolin, sind es an einem sonnigen Nachmittag ca 2000. Wirklich schade, dass dieser wundervolle Ort anscheinend so wenig Aufmerksamkeit bekommt. Aber wahrscheinlich sind die Bewohner gar nicht so böse darum. Wir fanden die Stille heilsam und äußerst angenehm.
Gerade als wir gehen wollten, begann ein Priester auf dem Platz vor der großen Halle mit seinen Tai Chi Übungen. Es war sehr beeindruckend. Die Bewegungen waren runder und kreisender als ich sie jemals gesehen hatte. Auch seine Schritte formten Kreise und Wirbeln.
Dann wurde es aber wirklich Zeit zu gehen, da der Tempel allmählich geschlossen wurde. Wir hatten ein paar wundervolle Stunden im Zhong Yue Miao verbracht, sehr nette Menschen kennengelernt und sogar ein wenig taoistisches Tai Chi gesehen.
Mit einem Taxi ließen wir uns zurück zu unserer Unterkunft in Shaolin bringen und beendeten den Abend mit einem wohlschmeckenden Essen.
Alles Gute
Jörg Roth
Wie hat dir der Bericht gefallen? Warst du schon mal in einem Tempel, einer exotischen Geisteshaltung? Was hast du dort erlebt? Über welche Berichte aus China würdest du dich freuen?
Lass es uns wissen.
Bis zum nächsten Mal.
Dein Team der Tai Chi Akademie